Besuch einer amerikanischen Gewerkschaftsdelegation im Bundestag, Dez. 2017
Das Flüsterdolmetschen ist eine Sonderform des Simultandolmetschens. Es kommt nur in bestimmten Situationen und bei seltenen Gelegenheiten zum Einsatz. Der Dolmetscher sitzt dabei hinter oder neben der Person, die eine Verdolmetschung benötigt, und flüstert dieser Person das Gesagte simultan ins Ohr („Chuchotage“).
Seit Beginn der Coronapandemie sitzen die Dolmetscher bzw. Flüsterdolmetscher jedoch nur noch selten neben der zu bedolmetschenden Person. Die beim Flüsterdolmetschen erforderliche räumliche Nähe zwischen Dolmetscher und Zuhörer ist heutzutage meist unerwünscht, weshalb seit gut zwei Jahren beim Flüsterdolmetschen meist eine sogenannte Personenführungsanlage (PFA) zum Einsatz kommt. Mittels dieser Anlage flüstert der Dolmetscher ebenfalls simultan in ein Mikrofon, und die Zuhörer hören die Verdolmetschung über Kopfhörer. Dadurch können deutlich mehr als zwei Personen vom Dolmetscher ‚beflüstert‘ werden, und der Dolmetscher muss nicht in der Nähe der Zuhörer sitzen, sondern kann sich woanders im Raum positionieren.
Beim Flüsterdolmetschen werden ebenfalls immer zwei Simultandolmetscher im Wechsel eingesetzt. Das Flüsterdolmetschen erfordert eine noch höhere Konzentration als das Kabinendolmetschen: Der Ton dringt ‚aus dem Raum‘ und nicht über einen Kopfhörer in die Ohren der Dolmetscher. Deshalb können störende Nebengeräusche wie Kaffeetassengeklapper, Husten, Türenschlagen, Feuerwehrsirenen etc. nicht herausgefiltert werden. Es empfiehlt sich somit, das Flüsterdolmetschen lediglich für kurze Veranstaltungen zu nutzen bzw. für Situationen, in denen eine fest installierte Kabine nicht zur Verfügung steht, beispielsweise bei Werksführungen, wechselnden Terminen bei Delegationsbesuchen, kurzen Präsentationen oder auch bei Platzproblemen.
Flüsterdolmetschen kommt zudem häufig in Zusammenhang mit Konsekutivdolmetschen zum Einsatz: Vorstellbar ist eine Podiumsdiskussion, die ausschließlich auf Deutsch läuft und bei der ein Teilnehmer kein Deutsch versteht und spricht. Hier flüsterdolmetscht der Dolmetscher dann simultan sämtliche Beiträge für diesen Teilnehmer auf dem Podium. Wenn der Teilnehmer selbst das Wort ergreift, macht sich der Dolmetscher Notizen und dolmetscht den Beitrag für die anderen Teilnehmer konsekutiv in die deutsche Sprache.
Foto: DGUV / Jan Roehl
In den Augen einiger Kunden ist das Flüsterdolmetschen eine gute Alternative zum Simultandolmetschen in der Kabine: Es erfordert weniger Platz, kaum Organisation, keinen größeren Aufwand, und es kostet weniger Geld. Man braucht lediglich ein Mikrofon für die Dolmetscher und Kopfhörer für die Zuhörer.
Das ist zwar in gewisser Hinsicht richtig; allerdings darf man die deutlich schlechteren Bedingungen für die Dolmetscher und auch für die Teilnehmer einer Veranstaltung nicht unterschätzen. Für die Dolmetscher gilt: „Kein Input – kein Output“. Wenn sie also den Redner nicht hören, können sie nicht dolmetschen. Daher laufen die Dolmetscher – insbesondere, wenn die Redner selbst nicht in ein Mikrofon sprechen – mitunter permanent im Raum herum, um den bestmöglichen Ton zu bekommen, was insbesondere auf die Teilnehmer, die keine Verdolmetschung benötigen, störend wirken und schnell nervend werden kann.
Für die Dolmetscher ist das Flüsterdolmetschen eine große Kraftanstrengung und Belastung, da sie neben der ohnehin erforderlichen hohen Konzentration nur schwer vorhersehbaren Unsicherheiten ausgesetzt sind. Bei Gesprächsrunden um einen größeren Tisch beispielsweise müssen die Flüsterdolmetscher stets die Dynamik im Raum im Blick behalten, um dann bei einem Rednerwechsel schnell reagieren, an den richtigen Ort laufen und simultan dolmetschen zu können. Leise oder zarte Stimmen, starke Dialekte, Husten oder Naseschnauben eines Teilnehmers während eines Redebeitrags und ähnliche Herausforderungen müssen von den Dolmetschern zusätzlich zum Flüsterdolmetschen bewältigt werden. Das ist ein weiterer Grund, warum das Flüsterdolmetschen nur für kurze Veranstaltungen genutzt werden sollte.
Werden auf Ihrer Veranstaltung mehr als zwei Sprachen gesprochen und wollen Sie mehr als zwei Sprachen verdolmetschen lassen, fällt das Flüsterdolmetschen als Option weg, da auch bei Verwendung einer Personenführungsanlage kein Relais bereitgestellt werden kann.
Planen Sie eine Konferenz oder eine größere Veranstaltung? Gerne berät Sie unser Dolmetscherbüro, welche Form des Dolmetschens für Ihre Veranstaltung die Beste ist.